Die texanischen Gnadenmemos

Alan Berlow

Wie der rechtliche Berater des texanischen Gouverneurs George W. Bush, Alberto R. Gonzales, der heute Berater im Weißen Haus ist und der bereits als zukünftiger Richter am Obersten Gericht gehandelt wird, 57 vertrauliche Todesstrafenmemoranda für Bushs Überprüfung vorbereitete. Niemals zuvor öffentlich gemacht, erwecken diese Memoranda den Eindruck, dass es Gonzales wiederholt versäumt hat, Bush mit den hervorstechendsten Fragen über die jeweiligen Fälle vertraut zu machen.

Am Morgen des 6. Mai 1997 setzte Gouverneur George W. Bush seinen Namen unter ein vertrauliches, drei Seiten starkes Memorandum von seinem rechtlichen Berater, Alberto R. Gonzales, und machte ein dickes schwarzes Kreuz neben dem Wort: ABGELEHNT. Es war das 29. Mal in den 28 Monaten, seit Bush vereidigt worden war, dass das Gnadengesuch eines Todestraktinsassen abgelehnt wurde. In diesem Fall führte Bushs Unterschrift am selben Tag um kurz nach 18:00 Uhr zur Hinrichtung von Terry Washington, einem geistig behinderten 33-jährigen Mann mit den Kommunikationsmöglichkeiten eines Siebenjährigen.

Washingtons Tod wurde von den Medien kaum bemerkt, und das Büro des Gouverneurs veröffentlichte keine Erklärung dazu. Doch die Hinrichtung und das dreiseitige Memo, das Washingtons Schicksal besiegelte, sagt gemeinsam mit Dutzenden ähnlichen für Bush vorbereiteten Memoranda genug über die Art, wie der Gnadenprozess von Bush und Gonzales, jenem Mann, der am häufigsten als die Wahl des Präsidenten für den nächsten Sitz am Obersten Gericht genannt wird, angegangen wurde.

Während Bushs sechs Jahre als Gouverneur wurden 150 Männer und zwei Frauen in Texas hingerichtet, ein Rekord, der von keinem anderen Gouverneur in der modernen amerikanischen Geschichte erreicht wurde. Jedes Mal, wenn eine Person einen Hinrichtungstermin bekam, erhielt Bush von seinem rechtlichen Berater ein Dokument, das die Fakten des Falles zusammenfasste, meist am Morgen des Tages, an dem die Hinrichtung angesetzt war. Dann wurde er von seinem Berater über diese Fakten unterrichtet. Aufgrund dieser Informationen erlaubte Bush, dass alle bis auf eine Hinrichtung durchgeführt wurden. Die ersten 57 dieser Zusammenfassungen wurden von Gonzales vorbereitet, einem in Harvard ausgebildeten Anwalt, der später zuerst ein staatlicher Minister und dann ein Richter am texanischen Höchstgericht wurde. Er ist heute Berater des Weißen Hauses.

Gonzales plante niemals, dass seine Zusammenfassungen an die Öffentlichkeit geraten. Beinahe alle sind mit VERTRAULICH gekennzeichnet und der Aussage: "Die Privilegien inkludieren, sind jedoch nicht darauf limitiert, Behauptungen des Anwalt-Klienten Privilegs, Anwaltsarbeitsprodukt Privilegs und das Interne Memorandum laut dem texanischen Öffentlichkeitsinformationsgesetz." Ich erhielt die Zusammenfassungen und sachbezogenen Dokumente, die niemals zuvor veröffentlicht wurden, nachdem der Oberste Staatsanwalt von Texas entschied, dass sie nicht vom Öffentlichkeitsinformationsgesetz ausgenommen sind.

Gonzales Zusammenfassungen waren Bushs Hauptquelle für Informationen, wenn er entschied, ob jemand leben oder sterben würde. Jede ist nur drei bis sieben Seiten lang und beinhaltet meistens kaum mehr als eine kurze Beschreibung des Verbrechens, einen oder zwei Absätze über den persönlichen Hintergrund des Angeklagten und seiner gekürzten juristischen Geschichte. Obwohl die Zusammenfassungen kaum eine Empfehlung für oder gegen die Hinrichtungen abgeben, zeigen viele klar anklagende Voreingenommenheit, und alle scheinen anzunehmen, dass, wenn ein Berufungsgericht einen oder zwei Berufungspunkte des Angeklagten abgelehnt hat, es keinen denkbaren Grund für den Gouverneur gibt, den Punkt noch einmal zu überdenken. Diese Voraussetzung ignoriert einen der wichtigsten Gründe für Gnade: Die Tatsache, dass das Justizsystem Fehler macht.

Eine genauere Untersuchung von Gonzales' Memoranda erweckt den Eindruck, dass Gouverneur Bush häufig Hinrichtungen nur aufgrund flüchtiger Erklärungen der umstrittenen Rechtsfragen bewilligte. Tatsächlich versäumte es Gonzales wiederholt, den Gouverneur mit diesen Dokumenten über wichtige Fragen über den betreffenden Fall zu unterrichten: ineffektiver Anwalt, Interessenskonflikt, mildernde Umstände, selbst aktuelle Beweise für Unschuld.

Der Fall von Terry Washington war typisch. Gonzales widmete beinahe ein Drittel seines dreiseitigen Berichts über Washington den grausamen Details des Verbrechens. Er informierte Bush darüber, dass das Opfer, Beatrice Huling, eine 29-jährige Restaurantleiterin war und schrieb: "Eine Autopsie stellte fest, dass sie 85 Stichwunden erlitt, von denen sieben tödlich waren, und ausgeweidet wurde." Doch die Zusammenfassung erwähnt nur flüchtig das zentrale Thema von Washingtons Gnadengesuch, seiner eingeschränkten geistigen Fähigkeit, die niemals vom Staat Texas bestritten wurde, und präsentierte sie als Teil einer Diskussion über "widersprüchliche Informationen" über die Kindheit des verurteilten Mannes. (Die Seite, auf der diese Diskussion enthalten ist, fehlt bei jener Kopie, die von Bush unterschrieben wurde, wodurch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, dass er sie nicht gesehen hat, bevor er Washingtons Hinrichtung erlaubte.) Am wichtigsten ist, dass Gonzales es versäumte zu erwähnen, dass Washingtons geistige Beschränkungen und die Tatsache, dass er und seine zehn Geschwister regelmäßig mit Peitschen, Wasserschläuchen, Verlängerungskabeln, Kleiderbügeln und Gebläseriemen geschlagen wurden, niemals von den Geschworenen gehört wurde, obwohl sowohl der Bezirksstaatsanwalt als auch Washingtons Prozessanwalt von diesen potentiell mildernden Umständen wussten. (Washington sagte im Prozess und während der Urteilsphase nicht aus.)

Gonzales' mangelnde Aufmerksamkeit für Washingtons geistige Behinderung ist besonders überraschend, weil in der ganzen Nation die Forderung wuchs, Hinrichtungen von Behinderten zu verbieten, und weil der bekannteste Fall eines behinderten Angeklagten, der von Johnny Paul Penry, sich damals in den texanischen Gerichten abspielte. Die Fehler im Fall Washington waren genau jene Art von Dingen, von denen Bush behauptete, dass er darüber informiert werden wollte. "Ich glaube nicht, dass es meine Aufgabe ist, den Spruch der Geschworenen von mir aus zu ersetzen", schreib er in seiner Autobiografie, A Charge to Keep (1999), "solange es keine neuen Fakten oder Beweise gibt, von denen die Geschworenen nicht wussten, oder Beweise, dass der Prozess irgendwie unfair war." Solche Informationen sind im Fall Washington wirklich ans Licht gekommen, doch Gonzales' Memorandum erzählte Bush nicht davon.

Nicht nur, dass Gonzales Washingtons geistige Beschränkung ignorierte, er erwähnte auch nicht, dass Washingtons Prozessanwalt es versäumt hat, einen Experten für geistige Gesundheit in Anspruch zu nehmen, damit dieser für Washington aussagt (obwohl er laut einer Entscheidung des Obersten Gerichts aus dem Jahr 1985 dazu berechtigt war). Das bedeutet in einem Todesstrafenfall klar, dass der Anwalt ineffektiv war. Er erwähnte auch nicht, dass der ineffektive Anwalt und die geistige Behinderung tatsächlich die zentralen Themen in dem 30-seitigen Gnadengesuch waren. Gonzales notierte nur, dass das Gesuch von der Gnadenkommission abgelehnt worden ist, einer Körperschaft, die ein Bundesrichter im Jahr 1998 dafür verurteilte, dass sie die Tendenz hat, über Gnadengesuche zu entscheiden, ohne sie zu untersuchen oder unter den Mitgliedern zu diskutieren.

Gonzales lehnte es ab, für diesen Artikel interviewt zu werden, doch während der Präsidentenkampagne im Jahr 2000 fragte ich ihn, ob Bush jemals die Gnadengesuche der Todestraktinsassen gelesen hat, und er wich mir aus. "Ich würde nicht sagen, dass das in jedem Fall geschehen ist", sagte er mir. "Doch wenn wir der Meinung waren, dass da etwas war, auf das er speziell achten sollte, ja, er sah sich manchmal an, was eingebracht wurde." Ich habe keinen Beweis gefunden, dass Gonzales jemals Bush ein Gnadengesuch oder irgendein Dokument gegeben hat, das auf eine präzise und verständliche Weise in einem Fall, in dem es um die Frage der Unschuld oder einen fairen Prozess ging, die besten Argumente eines Verurteilten gegen die Hinrichtung zusammenfasste. Bush verließ sich auf Gonzales Zusammenfassungen, die niemals solche Argumente enthielten.

Reservierte Gonzales die wichtigsten Punkte und Dokumente in Washingtons Fall für eine ausführlichere mündliche Einweisung des Gouverneurs in den Fall? Nur er und Bush wissen das. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Gonzales dem Gouverneur normalerweise am Tag der Hinrichtung eine Hinrichtungszusammenfassung gab und dass, wie er zugegeben hat, seine Einweisungen niemals mehr als 30 Minuten dauerten, viel zu wenig Zeit für eine ernsthafte Entscheidung über ein komplexes Gnadengesuch. Bushs Terminkalender für den Morgen vor Washingtons Hinrichtung zeigt eine Halbstundenspalte markiert mit "Hinrichtung."

Alle Gouverneur behaupten, dass sie mit den Todesstrafenentscheidungen zu ringen hätten. Während seiner Zeit im Amt hat Bush zahlreiche Aussagen in dieser Richtung getätigt, darunter: "Ich nehme jeden Todesstrafenfall ernst und überprüfe jeden Fall sorgfältig", und: "Jeder Fall ist wichtig, weil es in jedem Fall um Leben oder Tod geht." In seiner Autobiografie schrieb er: "Ich überprüfe jeden Todesstrafenfall sorgfältig", und fügte über seine Rechtsberater hinzu: "Über jeden Todesstrafenfall unterrichten sie mich sorgfältig, überprüfen die Argumente der Anklage und Verteidigung, erwähnen alle Zweifel, Probleme oder Fragen." Bush behauptete immer, dass seine Überprüfung eine von ihm sogenannte "fehlersichere" Methode beinhaltete, um einen fairen Prozess und die Sicherheit der Schuld festzulegen. Nach der Handhabung des Gouverneurs von Todesstrafenfällen befragt, sagte Johnny Sutton, Gouverneur Bushs Berater über Kriminaljustizregelungen im Mai 2000 zur New York Times: "Das ist wahrscheinlich die wichtigste Sache, die wir in der staatlichen Regierung machen."

Doch Gonzales' Hinrichtungszusammenfassungen strafen diese Behauptung einer ernsthaften und gerechten Überprüfung Lügen. Die Memoranda scheinen von einer radikal anderen Haltung gezeichnet zu sein, die von Bush seit seinen frühesten Tagen im Amt angenommen wurde, in denen er versuchte, seine rechtliche und moralische Verantwortung für Hinrichtungen zu minimieren. Bush zitierte wiederholt ein texanisches Gesetz, das sagt, ein Gouverneur soll nichts anderes tun als einen 30-tägigen Aufschub für einen Insassen gewähren, solange die Begnadigungskommission nicht empfohlen hat, Gnade zu gewähren. Zugegebenermaßen ist die Gnadenautorität des Gouverneurs in Texas weit mehr limitiert als zum Beispiel in Illinois, wo Gouverneur George Ryan letzten Januar, kurz bevor er sein Amt verließ, unilateral die Todesurteile von 167 Männern und Frauen umwandelte. Trotzdem war Bushs Versäumnis zu intervenieren genauso sehr von persönlichen Entscheidungen als von rechtlichen Einschränkungen getragen. Hätte Bush es gewollt, ein Urteil umzuwandeln oder eine Hinrichtung zu verhindern, hätte er das ohne Frage tun können. Mitglieder der Gnadenkommission werden rotierend alle sechs Jahre vom Gouverneur bestellt. Am Ende seiner Amtszeit hatte Bush alle 18 Mitglieder bestellt. Wenn er oder Gonzales irgendwelche ernsten Zweifel über einen bestimmten Fall gehabt hätten, selbst am Morgen einer angesetzten Hinrichtung, hätte Bush leicht bei der Kommission durchsetzen können, die Angelegenheit noch mal zu überdenken, eine Ermittlung durchzuführen, eine Anhörung abzuhalten, Zeugen zu befragen oder zu tun, was sonst immer notwendig gewesen wäre, um diese Zweifel zu lösen. Tatsächlich intervenierte Bush in einem der umstrittensten Fälle, im Jahr 1998, bei der Kommission, bevor sie ihre Meinung änderte und ihm eine Empfehlung abgab. Henry Lee Lucas war wegen neun anderer Morde schuldig gesprochen worden (für die er sechs lebenslange, zwei 75 Jahre lange und eine 60 Jahre lange Strafe absaß), hat jedoch auch wegen Hunderter anderer falsch gestanden. Nach dem Prozess im Jahr 1984, in dem Lucas zum Tode verurteilt wurde, wurde bekannt, dass er nicht einmal in Texas gewesen ist, als das Opfer ermordet wurde. Ermittlungen von zwei aufeinanderfolgenden obersten Staatsanwälten ergaben, dass Lucas falsch verurteilt worden war. Besorgt, dass Lucas davor stand für ein Verbrechen hingerichtet zu werden, das er nicht begangen hat, ließ Bushs Büro die Gnadenkommission wissen, dass Bush nicht bereit war, das geschehen zu lassen. Die Gnadenkommission empfahl bald darauf (mit einem Abstimmungsergebnis von 17:1) eine Umwandlung in eine lebenslange Gefängnisstrafe, was Bush dann bewilligte. Seine Entscheidung erklärend, merkte Bush an, dass die Geschworenen in Lucas' Prozess bestimmte Fakten "nicht gewusst haben", die erst nach dem Prozess herauskamen. Gonzales hätte eine ähnliche Sorge in Terry Washingtons Zusammenfassung ausdrücken können, doch er tat es nicht.

Am Beginn seiner Amtszeit präsentierte Gouverneur Bush einen Standard für Gnade, der festlegte, dass nur wenige Todesurteile, wenn überhaupt, ernsthaft untersucht werden. "In jedem Fall", schreib er in A Charge to Keep, "frage ich: Ist da irgendein Zweifel an der Schuld oder Unschuld dieser Person? Und haben die Gerichte genügend Möglichkeit alle rechtlichen Fragen in diesem Fall zu überprüfen?" Das ist eine außergewöhnlich begrenzte Auffassung von Gnadenüberprüfung, sie scheint wenig Raum, wenn überhaupt, zu lassen, geistige Krankheit und Inkompetenz, physischen oder sexuellen Missbrauch in der Kindheit, Reue, Rehabilitation, rassistische Diskriminierung während er Geschworenenauswahl, die Kompetenz der rechtlichen Vertretung oder Missverhältnisse in den Urteilen der Mittäter oder für Täter, die wegen gleicher Verbrechen schuldig gesprochen wurden, zu bedenken. Weder Mitgefühl noch "Gnade", die das Oberste Gericht bereits 1855 als zentral für die Idee der Gnade angesehen hat, wurden berücksichtigt.

Die Unterlagen erwecken den Eindruck, dass das, was Bush in seiner Autobiografie als "eine faire Anhörung und vollen Zugang zu den Gerichten" bezeichnet hat, in Wirklichkeit nicht mehr bedeutet, als dass ein Fall eine gewisse juristische Aufmerksamkeit auf allen staatlichen und föderalen Stufen bekommen muss. Im Fall der Karla Faye Tucker, der ersten Frau, die in Texas in mehr als hundert Jahren hingerichtet wurde, schrieb Bush zumindest zwei Wählern, dass er es vor allem deshalb abgelehnt hatte, Gnade zu gewähren, weil "die Gerichte, auch das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten die rechtlichen Fragen in diesem Fall überprüft haben", und alle Berufungen ablehnten. Doch Gnade ist eine politische Handlung, keine juristische. Durch die Eliminierung "juristischer Fragen" aus der Überdenkung lehnte es Bush tatsächlich ab zu überdenken, was oft die stärksten Punkte der verurteilten Person war. Tatsächlich setzte die Tatsache, dass die Gerichte die juristischen Punkte eines Angeklagten abgelehnt haben, eine zusätzliche Last auf einen Gouverneur, in der Form, dass das Gewissen des buchstäblich letzten staatlichen Gerichts eine gewissenhafte Überprüfung durchzuführen hat. Das ist vor allem in Texas wahr, wo mehr als ein Drittel der Hinrichtungen in den Vereinigten Staaten seit 1976 stattgefunden haben, wo die Hälfte aller kapitalen Fälle wegen Fehler im Prozess in der Berufung aufgehoben wird, wo sieben unschuldige Männer aus dem Todestrakt befreit wurden, darunter einer während Bushs Amtszeit, wo, laut den Dallas Morning News, beinahe ein Viertel der Verurteilten von Anwälten vertreten wurden, die wegen Fehlverhalten diszipliniert wurden, und wo 30 Prozent jener, die zwischen Bushs Angelobung im Jahr 1995 und dem 11. Juni 2000 hingerichtet wurden, laut der Chicago Tribune von Anwälten vertreten waren, die während der Strafzumessungsphase des Prozesses keine mildernden Umstände oder nur einen Zeugen präsentierten. Bei diesem Umfeld ist Gonzales' Vernachlässigung der mildernden Umständen im Gnadenprozess sehr problematisch.

Doch das wahre Problem damit, vollständige Überprüfung durch die Gerichte als einen Standard anzusehen, um Gnade abzulehnen, ist, dass keine der von Bush bewilligten 152 Hinrichtungen auf seinem Schreibtisch gelandet wäre, wenn diese Fälle nicht bereits durch alle Gerichte gegangen wären. Zu verlangen, wie Bush es tat, dass die Verurteilten "vollen Zugang zu den Gerichten" haben, etabliert keinerlei Leitung um den fairen Prozess sicherzustellen, sondern beschreibt eher den juristischen Prozess.

Obwohl Terry Washingtons Schuld niemals ernsthaft bezweifelt wurde, wurden von der Verteidigung in zumindest zwei anderen Kapitalfällen schwere Zweifel über die Schuld vorgebracht, doch von Gonzales buchstäblich ignoriert. Im Fall von David Wayne Stoker widmete Gonzales zum Beispiel den außerordentlich komplexen Umständen des Verbrechens gerade 18 Zeilen, ließ beinahe alle mildernden Umstände aus und versäumte es, eine große Anzahl von Fragen über die Beweise gegen Stoker und seine Rechte auf einen fairen Prozess zu nennen. Ronnie Thompson, ein Kronzeuge des Staates, erzählte zu Beginn der Polizei und dann dem Gericht, dass Stoker einen Mord aus dem Jahr 1986 gestanden hätte. Doch nach Stokers Verurteilung widerrief Thompson, erklärte, dass er im Gericht gelogen hätte, weil die Anklage damit drohte, ihn wegen Meineids anzuklagen, wenn er nicht bei seiner Originalaussage bleibe. Man hätte Bush das sagen sollen. Während Stokers Prozess im Jahr 1987 verließ Thompsons Ehefrau Debbie ihn, um mit Carey Todd, dem wichtigsten Zeugen der Anklage, zusammenzuleben. Sie bekam einen Anteil der Belohnung der Crime Stoppers, die Todd dafür bekam, Stoker zu melden. Gonzales versäumte es zu erwähnen, dass Drogen- und Waffenanklagen gegen Todd am selben Tag fallengelassen wurden, an dem er gegen Stoker ausgesagt hat, und dass Todd deshalb ein ersichtliches Motiv hatte, ihn hereinzulegen. Gonzales versäumte es auch zu erwähnen, dass ein staatlicher Ermittler, ein Polizist und Todd im Gericht darüber gelogen haben, was Todd für seine Aussage bekommen hat; dass die Geschworenen nicht von Todds möglichem Motiv dafür gehört haben, Stoker hereinzulegen, und dass James Grigson, ein Psychiater, der ausgesagt hat, dass Stoker ein Soziopath ist, der "absolut sicher" wieder gewalttätig sein wird (wodurch er ihn für ein Todesurteil geeignet machte), Stoker niemals untersucht hat. Grigson, dessen Expertenaussagen geholfen haben, Dutzende von Männern in den Todestrakt zu schicken, was ihm den Spitznamen "Dr. Tod" einbrachte, wurde zwei Jahre, bevor Stokers Fall von Gonzales und Bush überprüft wurde, von der Vereinigung der Amerikanischen Psychiater ausgeschlossen, weil seine Aussagen wiederholt als unethisch angesehen wurden. Ein anderer Experte, der gegen Stoker aussagte, Ralph Erdmann, hatte seine Arztlizenz 1994 zurückgegeben, nachdem er keinen Widerspruch gegen sieben Anklagepunkte setzte, die wegen gefälschter Beweise und verpfuschter Autopsien gegen ihn erhoben wurden. Eine Ermittlung eines speziellen Anklägers über Erdmann ergab, dass er Beweise in zumindest dreißig Fällen gefälscht hat und dass, wenn "es die Theorie der Anklage war, dass der Tod durch marsiranische Todeswellen verursacht wurde, es das war, was Dr. Erdmann berichtete". All diese Informationen waren in den öffentlichen Unterlagen, Gonzales erwähnte jedoch nichts davon in seinem Memorandum für Bush.

Stephen Latimer, der Stoker in seinem Gnadengesuch vertreten hat, erzählte mir vor kurzem, dass er ungefähr eine Woche oder zehn Tage vor der Hinrichtung einen Anruf von Gonzales' Büro erhalten hat, in dem er erfuhr, dass es keine Gnade geben würde. Das Timing ist signifikant, da Gonzales' Hinrichtungszusammenfassung mit dem 16. Juni 1997 datiert war, dem Tag von Stokers Hinrichtung. Wenn diese Entscheidung bereits eine Woche oder länger davor gefällt wurde, dass Bush die Zusammenfassung überhaupt gelesen hat, ist es nur fair zu fragen, ob Bush bereits in dem Kreislauf war oder, wie viele glauben, dass er Gonzales und der Gnadenkommission bereits klargemacht hatte, dass er nicht an Umwandlungen interessiert war.

Die Handhabung von Stokers Gnadengesuch war nicht unüblich. Erinnern Sie sich an den Fall von Billy Conn Gardner, dessen Todesstrafenfall von Themen behaftet war wie einem inkompetenten Anwalt, dubiosen Zeugenaussagen und ungehörten mildernden Umständen.

Gonzales Bericht für Bush gab diesen Umständen keinen Sinn. Er beschrieb den Raubüberfall auf eine Caféteria in einer Highschool in Dallas, bei dem Gardner angeblich mit einer Strumpfhose über dem Gesicht Telma Row, 64, eine Angestellte der Caféteria, erschossen hat. Ebenfalls in der Caféteria anwesend war Paula Sanders, eine Mitarbeiterin, die ihrem Ehemann Melvin erzählt hatte, dass Tausende von Dollar, die täglich in der Caféteria umgesetzt werden, in einen Hinterzimmer der Schule aufgehoben würden. Melvin, der den Fluchtwagen fuhr, behauptete, dass er Gardner überzeugt hatte, mitzumachen.

Paula, die Gardner kannte, sagte, dass sie keine Beschreibung des Angreifers abgeben konnte, weil sie ihm den Rücken zugedreht habe. Bevor Row starb, konnte sie jedoch einen Mann mit einem "knochigen Gesicht und einem fünf Zentimeter langen Spitzbart" beschreiben. Gonzales sagte Bush nicht, dass der Staat es nicht schaffte, einen einzigen Zeugen vorzubringen, der sich daran erinnern konnte, Gardner mit einem Ziegenbart gesehen zu haben, oder dass zwei Zeugen der Schießerei, Carolyn Sims und der Verwalter der Schule, Lester Matthews, einen Mann mit rotblonden Haaren beschrieben, während Gardners Haar schwarz war. Matthews identifizierte Gardner trotzdem als den Mörder, und Gonzales akzeptierte diese Aussage als wertvoll, obwohl Matthew Gardner nicht kannte, zugegeben hat, den Mörder nur drei oder vier Sekunden gesehen zu haben und ihn erst bei seiner zweiten Befragung durch die Polizei identifizierte, drei Monate nach dem Verbrechen. Außerdem fehlten in Gonzales' Memo die Tatsachen, dass erst nachdem die Ankläger gedroht hatten, andere Anklagen gegen Melvin Sanders zu erheben, er Gardner als den Mörder nannte und dass Sanders im Tausch für seine Aussage eine volle Immunität für den Mord und Bewährung für Betrugs- und Feuerwaffenanklagen bekam. Der Staat stimmte außerdem zu, Paula Sanders nicht anzuklagen.

Gonzales sagte Bush in seiner Zusammenfassung, dass Paula "ausgesagt hat, dass sie nichts von den Raubplänen wusste", vernachlässigte es aber zu erwähnen, dass sie wenige Minuten vor dem Raub und der Schießerei einige Anrufe erhielt und dass sie laut Carolyn Sims (deren Namen in Gonzales Bericht nicht auftaucht) "nervös und aufgebracht" wirkte, nachdem sie diese Anrufe erhielt. Sims wurde erst Jahre nach dem Prozess gefunden, während Gardners Haftprüfungsberufung. Noch wichtiger ist, dass Gardners Anwälte Paula Sanders niemals befragten und Gardner vor der Geschworenenauswahl nur einmal für 15 Minuten getroffen hatten, was den Eindruck einer ineffektiven Verteidigung erweckt, was Gonzales ohne jede Diskussion abtat.

Der Fall ist ein beunruhigendes Wirrwarr von Spekulationen und Unsicherheit. Was Gonzales Bush während der Gnadenüberprüfung hätte klar machen müssen ist, dass der Fall viele unbeantwortete und problematische Fragen beinhaltete. Gardner wurde am 16. Februar 1995 hingerichtet.

Die Gonzales Memoranda erwecken den Eindruck, dass Gonzales selten, wenn jemals, versuchte tief in den Fall einzutauchen, den er für Bush überprüfte. In seiner Zusammenfassung des Falles von Carl Johnson zum Beispiel, die mit dem 18. September 1995, dem Tag vor Johnsons Hinrichtung datiert ist, versäumte es Gonzales zu erwähnen, dass Johnsons Prozessanwalt buchstäblich die wichtigsten Teile der Geschworenenauswahl verschlief. Sein Memo über Irineo Tristan Montoya, datiert mit dem 18. Juni 1997, dem Tag von Montoyas Hinrichtung, ließ die wichtigste Frage des Falles aus: eine angebliche Verletzung internationaler Gesetze, die Bush unter anderem durch das Außenministerium der Vereinigten Staaten mitgeteilt worden war. Sein Memo über Bruce Edwin Callins, datiert mit dem 21. Mai 1997, dem Tag von Callins Hinrichtung, versäumte es anzumerken, dass Callins Berufung an das Oberste Gericht die berühmteste abweichende Meinung in einem Todesstrafenfall im letzten Vierteljahrhundert verursacht hat, geschrieben von Richter Harry Blackmun, einem langjährigen Befürworter der Todesstrafe.

Karla Faye Tuckers Gnadenüberprüfung im Jahr 1998 ist eine der wenigen, in denen Beweise für eine signifikante Diskussion zwischen Bush und Gonzales existieren, und das einzige Beispiel dafür, dass Gonzales irgendeine andere Dokumentation außer der Hinrichtungszusammenfassung zur Verfügung gestellt hat. Bush zitiert den Tucker Fall als Beweis für sein Mitgefühl und seine Aufmerksamkeit für den Prozess der Gnadenüberprüfung. Gonzales hat gesagt, dass er und Bush Monate vor der Hinrichtung damit begonnen haben, Tuckers Fall zu diskutieren. Bushs Autobiografie widmet Tucker 15 Seiten. Er schreibt, dass er wegen seiner Entscheidung gelitten hat und in der Nacht vor der Hinrichtung nicht schlafen konnte, und die Bewilligung "war eines der schwersten Dinge, die ich jemals getan habe"; in den Momenten vor Tuckers Hinrichtung fühlte er sich, "als ob ein großes Stück Beton auf mich schlug, als wir warteten."

Warum hätte Bush von Tuckers Hinrichtung so gequält werden sollen? Laut Bushs Standard für Gnade war ihr Fall nicht einmal einer Überdenkung wert. Tucker behauptete nicht, dass sie unschuldig war, Jerry Lynn Dean und Deborah Thornton 1983 mit einer einen Meter langen Axt ermordet zu haben. Sie sagte, dass sie von den Gerichten fair behandelt worden ist und ihre Strafe verdient hat. Was dabei hilft, Bushs Sorgen zu erklären, ist natürlich, dass Tuckers Fall einer der am häufigsten publizierten Fälle in seiner Amtszeit als Gouverneur war. Im Gefängnis wurde Tucker eine wiedergeborene Christin - wie Bush. Gegen ihre Hinrichtung sprachen sich unter anderem eine der Töchter von Bush aus und eine Menge von Menschen, die sonst ergebene Unterstützer der Todesstrafe sind, wie Pat Robertson und Jerry Falwell, der davon überzeugt war, dass sie wirkliche Reue empfand und rehabilitiert war. Trotzdem könnten Dutzende andere texanische Todestraktinsassen ähnliche Bekehrungserlebnisse und Reue behaupten; und Dutzende haben ernsthafte Hinweise auf Unschuld und unfaire Prozesse.

Mehr als alles andere illustriert der Fall Tucker, wie Bush versuchte, die Verantwortung für Hinrichtungen zu leugnen. "Ich konnte (ohne die Gnadenkommission) Karla Faye Tuckers Strafe nicht von Tod zu lebenslanger Haft im Gefängnis umwandeln", behauptete Bush, indem er texanische Gesetze zitierte. Gonzales machte denselben Punkt in einem Brief an das Papal Nuncio in Washington, die, bevor die Gnadenkommission ihre Empfehlung abgegeben hatte, Bush im Namen des Papstes darum ersucht hat, Gnade für Tucker walten zu lassen. "Frau Tuckers Strafe kann vom Gouverneur nur umgewandelt werden, wenn die texanische Gnadenkommission eine Umwandlung der Strafe empfiehlt." Doch Bush intervenierte vor der Anhörung der Gnadenkommission im nachfolgenden Fall Lucas.

Gonzales teilte der Papal Nuncio nicht mit, dass selbst nachdem die Gnadenkommission Gnade abgelehnt hat, der Gouverneur einen 30-tägigen Aufschub gewähren hätte können, um diese oder jede andere Hinrichtung aufzuschieben. Bush nutzte diese Macht nicht, weil er kein Interesse daran hatte, die Gnadenkommission zu behindern, die dafür berühmt ist, Hinrichtungen schnell zu bewilligen. Im Dezember 1998 kam Richter Sam Sparks in einer Anhörung des Bezirksgerichtes über eine vom Todestraktinsassen Joseph Stanley Faulder (in dessen Prozess einem wichtigen Zeugen der Anklage für seine Aussage von der Anklage mehr als 10,000 Dollar versprochen wurde) eingebrachten Klage zu der Schlussfolgerung: "Es ist mehr als deutlich, dass die texanische Gnadenprozedur extrem armselig und mit Sicherheit minimal ist." Sparks stellte fest, dass "keiner der Mitglieder" der Gnadenkommission Gnadengesuche in ihrer Gesamtheit liest, dass "der Wurf einer Münze gnädiger wäre als diese Abstimmungen" und dass die Kommission keine rationalen Begründungen für ihre Gnadenempfehlungen abgibt. "Da ist nichts", sagte Sparks während der Anhörung, "absolut nichts, das die Gnadenkommission tut, wodurch die Öffentlichkeit, inklusive dem Gouverneur, herausfinden kann, warum sie das getan haben."

Alberto Gonzales sagte mir im Jahr 2000, dass er in seinen Hinrichtungsbelehrungen Gouverneur Bush immer einen "detaillierten faktischen Hintergrund der Geschehnisse" zusammen mit "anderen außerordentlichen Fakten oder unüblichen Punkten" präsentiert. Eine gründliche Überprüfung der schriftlichen Hinrichtungszusammenfassungen, die er für Bush vorbereitet hat, wirft jedoch mit Sicherheit Fragen über die Genauigkeit von Gonzales' Herangehensweise auf, und wenn man schlussendlich die Kürze der Zusammenfassung und das Timing ihrer Einlangung im Büro des Gouverneurs beachtet, sagt dies einiges über die Menge an Aufmerksamkeit aus, die Bush dem Gnadenprozess geschenkt haben kann. In seinen Zusammenfassungen der Fälle von Terry Washington, David Stoker und Billy Gardner machte Gonzales Gouverneur Bush nicht auf Sorgen über ineffektive Anwälte, essentielle mildernde Umstände und selbst erschreckende Behauptungen von Unschuld aufmerksam. Das waren alles Entscheidungen über Leben oder Tod, die tiefe Erläuterungen und Diskussionen verlangen, die kein Anwalt in Gonzales' Position in einer schriftlichen Zusammenfassung auslassen oder für eine 30-minütige mündliche Erläuterung aufheben hätte sollen, vor allem wenn beide am selben Tag übergeben werden, an dem die Hinrichtung angesetzt ist. In einem Staat, in dem das Kriminaljustizsystem sich regelmäßig gut dokumentiert geirrt hat, war das ein ernsthaftes Versäumnis.

Quelle: Atlantic Monthly, Juli/August 2003 (Übersetzung: Sabine Hauer)

*****

Englische Originalfassung des Artikels

*****

ZURÜCK