Plakat Idstein

Konzert mit Gabi Uhl: "Todesstrafe hat keine abschreckende Wirkung"

Musik, Texte und Infos im Idsteiner Gerberhaus

rt.IDSTEIN Mit Musik und Texten tritt Gabi Uhl in ihren Konzerten gegen die Todesstrafe ein. Jetzt war sie im Gerberhaus Idstein zu Gast.

Seit 1948 garantiert die von den Vereinten Nationen verabschiedete Erklärung der Menschenrechte in Artikel 3 das Recht auf Leben. 111 Staaten haben inzwischen die Todesstrafe abgeschafft. Hingegen wird sie in 84 Staaten weiterhin praktiziert, was bedeutet, dass noch etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung dadurch bedroht ist.

Dabei ist die abschreckende Wirkung längst widerlegt. In den USA, wo 38 Bundesstaaten von insgesamt 50 an der Todesstrafe festhalten, kommen pro Jahr auf 100 000 Einwohner 5,5 Morde, in Deutschland, wo die Verfassung Todesstrafe verbietet, auf 100 000 Einwohner nur 1,1 Morde.

Gabi Uhl von "Alive", dem Verein "Koalition gegen die Todesstrafe", traf bei ihrer Einladung durch "amnesty international", Sektion Taunusstein, im gut besuchten Gerberhaus auf großes Interesse. Die Musiklehrerin, Chorleiterin und Sängerin stieß 1998 im Rahmen eines Briefkontaktes auf den im Todestrakt einsitzenden Clifford Boggess, auf dessen Wunsch sie auch Zeugin seiner Hinrichtung wurde. Seitdem treibt sie die Fragwürdigkeit dieser barbarischen Strafmethode um, die in den USA sogar Jugendliche treffen kann und in weiteren Staaten auch von kulturellen Gepflogenheiten abhängig ist. Nicht nur Mord und Drogenhandel, sondern auch Prostitution, Ehebruch, Homosexualität, Korruption und "Hexerei" führen zur Hinrichtung wie Erhängen, Erschießen, Steinigung und Enthauptung.

Gabi Uhl geht es aber weniger um die theoretische Auseinandersetzung, auch ist sie weit entfernt davon, Verbrecher in Schutz zu nehmen. Ebenso deutlich weist sie aber auf die Mitverantwortung der Gesellschaft hin, die die sozialen Voraussetzungen für die Identifizierung mit Normen und Werten zu bieten hat. In selbst verfassten Liedern, die Wolfgang Zerbin aus Bleidenstadt instrumental elektronisch arrangierte, ging es ihr vor allem um das Erleben der an der Hinrichtung Beteiligten. Damit appellierte sie vor allem an das Mitgefühl, die wichtigste emotionale Voraussetzung für das Funktionieren einer humanen Kultur.

Macht es wirklich Sinn, eine Gewalttat mit einer weiteren Gewalttat zu "sühnen" und damit zusätzlich den Angehörigen des Delinquenten, der ja auch ein Opfer von Justizirrtum und Vorurteil sein kann, ebenso unermessliches Leid aufzunötigen wie den Angehörigen des Opfers? Und wollen die Angehörigen des Opfers wirklich nur die Vergeltung? Kann ihr Leid wirklich durch die Hinrichtung des Täters eine Milderung erfahren? Wie erfuhren die Delinquenten bisher ihre von Gewaltsamkeit und Sinnlosigkeit geprägte aussichtslose Welt und ihr Leben? Und schließlich - wie verarbeiten die Wärter im Todestrakt und die mit der Hinrichtung beauftragten Henker ihren Beruf?

Die Lieder mit visualisierten Texten, zwischen die immer wieder zusätzliche Sachinformationen eingestreut waren, machten in ihrer vorgetragenen Eindringlichkeit den Zuhörer merkbar betroffen, so dass die eigentlich vorgesehene Diskussion nach dem Vortrag ausbleiben musste. Betroffenheitsgefühle kann man nicht erörtern - sie sind einfach da.

Ausgelegte Materialien zur Fragwürdigkeit der Todesstrafe und ferner beschriebene Einzelschicksale aus den USA mit teilweise prozessualen Widersprüchlichkeiten ergänzten den Abend.

Quelle: Wiesbadener Tagblatt (Idsteiner Zeitung) - 20.5.2004

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