KULTUR IN LÜDINGHAUSEN

"Todesstrafe erzeugt nur neues Leid"

Gabi Uhls leiser musikalischer Protest / Musikerin diskutierte auch mit Cani-Schülern

Konzert Luedinghausen

LÜDINGHAUSEN. "Dead Man Walking" heißt es im US-Todestrakt, wenn ein Mensch zur Hinrichtung geführt wird. Seit 1976 geschah dies 956 mal. Allein in Texas verloren in diesem Zeitraum 340 Personen ihr Leben, meist durch eine Injektion. Vor Ansatz der Todesspritze wird die Einstichstelle sorgfältig desinfiziert. Alles nach Vorschrift. Dann wird der Mensch eingeschläfert wie ein kranker Hund. Zeugen bestätigen den Vorgang durch Unterschrift.

Gabi Uhl hat eine Hinrichtung miterlebt: 1998 wurde Clifford Boggess aus seiner Zelle in Ellis Unit One geholt und erhielt die tödliche Injektion. Gabi Uhl hat damals ihre Freundin begleitet, die jahrelang im Briefkontakt mit dem zweifachen Mörder gestanden hatte und jetzt auch Zeugin der Tötung war. Als sie in die Gesichter der Angehörigen des Täters blickte, kam sie zu der Überzeugung: Die Todesstrafe erzeugt nur neues Leid, sie bringt keinen Nutzen, der nicht auch anders erreichbar ist.

In diesem Sinne macht sie mit in der Aktion ALIVE, einer Koalition gegen die Todesstrafe. In diesem Sinne reist sie durch Deutschland und versucht Menschen zu überzeugen. Durch Vorträge, vor allem aber durch Konzerte. Denn sie besitzt eine sympathische Stimme, die mal warm, mal intensiv und leidenschaftlich klingt. Der etwas ältere Zuhörer fühlt sich an die amerikanische Friedensaktivistin und Sängerin Joan Baez erinnert, wenn sie ihre meist englischsprachigen Lieder vorträgt.

Das tat sie auch am vergangenen Mittwoch im Evangelischen Gemeindezentrum in überzeugender Weise. Eingeladen hatte sie die örtliche Pax-Christi-Gruppe, dabei in enger Verbindung mit der christlichen Anti-Folter-Bewegung ACAT (deren deutsche Sektion schon seit Jahren von Lüdinghausen aus gegen die Todesstrafe kämpft) und der Canisianum-Gruppe der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international. Die gesungenen Texte standen den Besuchern meist auch in deutscher Übersetzung auf einer Leinwand vor Augen, daneben ungewöhnliche Bilder (von Menschen und Todesmaschinen) mit starker Aussagekraft.

Mit einem Vortrag von Erich Kästners vertonter Ballade vom Nachahmungstrieb begann Gabi Uhl ihr musikalisches Programm. Kästner macht hier deutlich, dass Gewalt erlernt wird, dass Kinder sie sich in der Erwachsenenwelt abgucken. Gewalt als banale Nachahmung, ohne Regung des Gewissens. Wie fehlende häusliche Geborgenheit, soziale Ächtung und Drogenkonsum viele Jugendliche in den Tod treiben, machte ein anderes Lied deutlich. Der Song "Crime for Crime" bringt den Sündenbockmechanismus zur Sprache: Die Gesellschaft entlastet sich von eigener Schuld, indem sie den Todgeweihten (symbolisch) töten lässt. Gitarrensound und eindringliche Schläge von Percussion-Instrumenten unterstrichen die Botschaft der Songs, die Gabi Uhl vortrug.

Der Elektrische Stuhl wartete in den USA auf 152 Todeskandidaten. In China beförderte man 2001 insgesamt 2468 Menschen vom Leben zum Tode, in der Regel durch Genickschuss. Andere Länder exekutierten durch Hängen (Iran, Irak, Kongo), Erschießen (Irak, Kongo), durch Enthauptung oder Steinigung. Und unter den Vergehen, die von nationalen Gerichten als todeswürdig befunden werden, finden sich neben Mord auch Drogenhandel, Prostitution, Hexerei, Ehebruch, Homosexualität.

Die Jugendlichen aus der Cani-Aktionsgruppe von amnesty international kennen sich auf diesem Gebiet aus. Deshalb tun sie auch alles für eine Abschaffung der Todesstrafe. Sie schreiben Briefe an Personen und Institutionen in aller Welt. Manchmal geht es darum, die Vollstreckung des Urteils zu verhindern. Unterschriftenlisten zeigen den Verantwortlichen zumindest, dass ihre Praxis der Weltöffentlichkeit nicht verborgen bleibt. Am Donnerstagvormittag nahm sich Gabi Uhl noch Zeit für eine ausführliche Diskussion mit Jugendlichen der Cani-Jahrgangsstufe 11.

Alles in allem ein besinnlicher Abend, der wegen der hohen Durchsichtigkeit der Argumentation (auch Argumente der Befürworter wurden ernst genommen) viel Nachdenklichkeit zurückließ.

Karl-Heinz Kocar

Quelle: Westfälische Nachrichten - 9.4.2005

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Konzertankündigung Lüdinghausen

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Das Sonderkonzert am Donnerstag für die Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs der Gymnasiums Canisianum war ein um ein Drittel gekürztes Programm, damit ausreichend Zeit zur Diskussion blieb:

Abfolge der Musiktitel

1. IN THE DEPTH OF WINTER

Musik: David Plüss

Rechte: david music switzerland

2. DEAD MAN WALKING (A DREAM LIKE THIS)

Text und Musik: Mary Chapin Carpenter

Rechte: Why Walk Music

3. DIE BALLADE VOM NACHAHMUNGSTRIEB

Text: Erich Kästner

Musik: Gabriele Uhl

Rechte: Atrium Verlag, Zürich (Text) / Gabriele Uhl (Musik)

4. CRIME FOR CRIME

Text und Musik: Ani DiFranco

Rechte: Righteous Babe Music (BMI)

5. ELLIS UNIT ONE

Text und Musik: Steve Earle

Rechte: WB Music Corp./South Nashville Music

6. TO LIVE IN YOUR WORLD

Text und Musik: Happy Rhodes

Rechte: Hovering Slab Music (BMI)

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